GANZ OHNE STROMANSCHLUSS: ERSTES ENERGIEAUTARKES MEHRFAMILIENHAUS DER WELT

Im zürcherischen Brütten wird ein Haus für neun Familien gebaut, das ganz ohne externen Strom auskommen soll. Das Mehrfamilienhaus braucht weder Gas noch Öl. Wie ist dies möglich? Die einzige Energiequelle stellt die Sonne dar. Sie liefert die gesamte Energie und dank kluger Speicherung ist diese während des ganzen Jahres vorhanden. Die Bauherren sprechen vom ersten wahren energieautarken Mehrfamilienhaus der Welt. Ist dies der nächste Schritt beim energieeffizienten Bauen?

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Foto: Mehrfamilienhaus Brütten / Quelle: Umwelt Arena Spreitenbach

Neuestes Projekt der Umwelt Arena Spreitenbach
Das energieautarke Mehrfamilienhaus wird von der Umwelt Arena Spreitenbach zusammen mit mehreren Ausstellungspartnern gebaut. Die Umwelt Arena selber wurde 2012 eröffnet und ist eine moderne Ausstellungsplattform für diverse Themen der Nachhaltigkeit. Die Bevölkerung soll spielerisch sensibilisiert und über moderne Umwelttechniken sowie den nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen informiert werden. Das Gebäude selber besticht durch seine spektakuläre Architektur sowie durch die dachintegrierte Solar-Anlage, die bis anhin die grösste Dachanlage der Schweiz darstellt.

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Foto: Umwelt Arena Spreitenbach / Quelle: Umwelt Arena Spreitenbach

Der Verwaltungsratspräsident Walter Schmid, der damals bereits für den Bau der Umwelt Arena verantwortlich war, möchte nun einen Schritt weitergehen und beweisen, dass das energieautarke Haus funktioniert: "Die Schweizer Unternehmen sind führend im Bereich der Effizienzsteigerung und der erneuerbaren Energien. Viele davon sind Aussteller in der Umweltarena. Zu sehen, wie viel Know-how sich hierzulande ballt, hat mich motiviert, ein energieautarkes Wohnhaus zu realisieren. Ich sagte mir: Wenn nicht hier, wo denn dann? Zum anderen reden wir seit 20 Jahren davon, Energie zu sparen. Irgendwann muss man damit anfangen." (Interview erschienen bei energie experten, 16.2.15)

Eine Stunde Sonne genügt
Beim Bau des Mehrfamilienhauses in Brütten wollte der Architekt, René Schmid, aus den Erfahrungen aus der Umwelt Arena lernen. Es sollten andere Photovoltaikelemente zum Zuge kommen, die nicht spiegeln, glänzen oder zu dunkel wirken. Die ausgewählten Elemente mit Dünnschichtzellen erfüllen all diese Kriterien und sind zudem kostengünstig. Sie werden auf der gesamten Hausfläche des Mehrfamilienhauses verbaut, ohne die Ästhetik des Gebäudes negativ zu beeinträchtigen. Diese Module bringen nur halb so viel Energie wie andere Solarzellen. Sie haben jedoch wesentliche Vorteile im Winter. Da die Elemente vertikal als Fassade verbaut werden, können sie die flachstehende Sonne auch im Winter optimal nutzen. Und im Gegensatz zum Dach wird die Fassade nicht mit Schnee bedeckt.

Selbstverständlich wird auch das Dach als Kraftwerk benutzt. Hier werden neuartige, kristalline Photovoltaikmodule eingesetzt, die deutlich effizienter als die Dünnschichtzellen sind. Gemäss den Berechnungen soll die gesamte Solaranlage des Mehrfamilienhauses lediglich eine Stunde Sonne benötigen, um den gesamten Tages-Energiebedarf der Bewohner abzudecken. Und selbst an nebligen Tagen kann die Anlage einen Mindestertrag liefern. Eine wahrhaft beeindruckende Leistung!

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Grafik: Energieautarkes MFH / Quelle: Umwelt Arena Spreitenbach

Ausgeklügeltes Speichersystem
So weit so gut, doch was, wenn die Sonne über längere Zeit nicht scheint? Und wie sollen die Wohnungen im Winter geheizt werden? Das Projekt des energieautarken Wohnens steht und fällt mit der Leistung der Photovoltaikanlage, aber auch mit dem eingesetzten Speicher. Die Verantwortlichen haben sich für das Mehrfamilienhaus in Brütten ein ausgeklügeltes System von Kurzzeit- und Langzeitspeicher ausgedacht. Der in einem Batteriepark gespeicherte Strom reicht für maximal vier Tage. Da dies vor allem im Winter nicht genügt, kommen thermische Speicher sowie eine zweite Technologie zum Einsatz: "Power to Gas".

Bei "Power to Gas" wird der überschüssige elektrische Strom der Photovoltaikanlage durch Wasserelektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Der Wasserstoff gelangt in den Langzeitspeicher, wo er bei Bedarf von einer Brennstoffzelle wieder in elektrischen Strom, aber auch Wärme umgewandelt werden kann. Ein weiterer Teil der Sonnenenergie wird mit einer Wärmepumpe in Wärme verwandelt. Einerseits dient diese zur Wassererwärmung und zum Heizen, andererseits zur Ladung der thermischen Kurz- und Langzeitspeicher.

Die einzelnen Speichersysteme sind in ihrer Form zwar nicht neu. Doch das Vernetzen und Verknüpfen solcher Speichersysteme zu einem energieautarken Haus sind einzigartig.

 

Bewohner sind ebenfalls gefordert
Das Mehrfamilienhaus mit den neun Wohnungen auf drei Stockwerken soll noch im Juni 2016 bezugsbereit sein. Die Wohnungen werden nicht verkauft, sondern vermietet. Denn auf diese Weise erhalten sich die Pilotverantwortlichen weiterhin den gewünschten Einfluss auf das Haus. Sie möchten verfolgen, wie sich das Haus entwickelt und sich in der Praxis bewährt.

Wer im ersten energieautarken Mehrfamilienhaus wohnen will, muss zwar keine speziellen Anforderungen erfüllen, jedoch intelligent mit dem Stromverbrauch umgehen. „Das Ziel ist es, dass die Bewohner ihren Energiebedarf um die Hälfte reduzieren“, sagt Walter Schmid. Für ihn gehört dies mit zu den wichtigsten Voraussetzungen für ein energieautarkes Haus. „Mit jeder Kilowattstunde, die weniger verbraucht wird, brauchen wir weniger Speicher. Denn das Speichern ist noch teuer.“

Es liegt auf der Hand, dass bei den Küchen- und Haushaltgeräten sowie bei den Waschmaschinen nur die energieeffizientesten Geräte ausgewählt wurden. Die Beleuchtung erfolgt ausschliesslich über modernste LED-Technologie. Zusätzlich kontrollieren die Bewohner ihren Energieverbrauch mittels eines Informationssystems, das ihnen einen bewussteren Umgang mit der Energie ermöglichen soll. Auch für die Mobilität wurde gesorgt. Die Mieter erhalten ein Elektro- und ein biogasbetriebenes Fahrzeug zur gemeinsamen Nutzung.

Die Walter Kälin Holzbau AG ist gespannt auf die Erfahrungen des weltweit ersten energieautarken Mehrfamilienhauses und wünscht allen Involvierten weiterhin viel Erfolg bei diesem zukunftsweisenden Projekt.

Weitere Informationen:

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